Wohnungen sind knapp in Frankfurt. Im Unterschied zu leeren Büros und Gewerberäumen. Etliche hunderttausend Quadratmeter gelten als nicht mehr vermietbar. Der Leerstand zieht sich quer durch die Stadt von Bockenheim bis Niederrad, vom Bahnhofsviertel zum Ostend und in die Adickesallee. Redevelopment, Umwandlung heißt die Lösung – leere Büros werden zu Wohnungen umgebaut. Mit Vorteilen sowohl für die Immobilienbesitzer als auch die wachsenden Metropole. Sie bekommt Wohnungen, spart kostbare Fläche und gewinnt an Image, weil der Makel Leerstand aus dem Stadtbild verschwindet.
Aus alt mach neu
Investor Günter Hägele gehört zu den Pionieren des Redevelopment. Sein Unternehmen machte aus dem Büroturm Lyoner Straße 19 in Niederrad ein Wohngebäude mit fast 100 Appartements. Die ersten Bewohner zogen 2010 ein. Die meisten sind gut verdienende Wochenendpendler, die sich die Miete in dem aufwändig umgestalteten Hochhaus leisten können. Hägeles Firma steckte rund 18 Millionen Euro in das Vorzeigeprojekt. Viel Geld, doch auch der Leerstand war nicht billig. Angesichts von etwa 150 000 Euro Unterhalt pro Jahr und möglicher Abrisskosten begann der Investor zu rechnen. „Büro war eine Illusion“, sagt Hägele. „Wohnen hat sich vom Grundriss her als Alternative angeboten“.
Andere Ansprüche
Damit war eine wesentliche Umbau-Voraussetzung gegeben. An Wohnhäuser werden andere Ansprüche gestellt als an klassische Bürogebäude. Für Schall- und Brandschutz sowie Fluchtwege gelten spezielle Vorschriften. Platz für Küchen und Bäder muss vorhanden sein, ebenso Versorgungsleitungen. Sonst gäbe es zwar überall Internetzugang, aber womöglich weder Waschbecken noch Toilette für jede einzelne Wohnung. Außerdem muss die Raumhöhe passen – 2,50 Meter lichte Höhe sind absolutes Mindestmaß. Insgesamt ist etwa ein Drittel aller leerstehenden Büroflächen in Frankfurt für eine Umwandlung geeignet, schätzt Günter Hägele.
Von der Lyoner Straße 19 stand während des Umbaus nicht viel mehr als das Skelett. „Revitalisierung ist nicht günstiger als ein Neubau. Ein Vorteil ist der Zeitvorsprung, weil der Rohbau steht“, resümiert der Investor. Wegen des Qualitätsgewinns und der höheren Mieten rentieren sich solche Vorhaben jedoch. Die Umwandler-Idee interessiert deshalb immer mehr Eigentümer. Im vergangenen Jahr genehmigte die Stadt 149 Umnutzungen in die Jahre gekommener Immobilien, davon 144 für Wohnungen. Hinzu kommen an die 600 Studentenwohnungen.
Wohnraum für Studenten
Zu den aktuellen Vorhaben gehört die Umwandlung des ehemaligen Ordnungsamts in der Mainzer Landstraße. Im künftigen „The Fizz“ plant ein privater Investor bis zu 390 Wohnheimplätze für Studenten. Die ersten sollen zum Wintersemester 2014/15 einziehen, zu Preisen um die 500 Euro pro Monat. In unmittelbarer Nähe zum Uni-Campus Westend sind mehr als 160 Studenten-Appartements entstanden. Die Bewohner des an der Adickesallee stehenden Blocks büffeln, wo Büromenschen hockten bis das Gebäude nicht mehr vermietbar war. Revitalisierung bot den Ausweg, zumal Studentenbuden in Frankfurt ähnlich heiß begehrt sind wie normale Mietwohnungen. Einige mehr davon gibt es mit dem Umbau des ehemaligen Arbeitsamts im Ostend. Im teuren Westend entstehen Eigentumswohnungen in einer früheren Ämterdomizil.
Urbanes Leben löst Büro-Hochhäuser ab
Die Stadt befördert über Redevelopment auch den Strukturwandel in Quartieren. So unterstützte sie zum Beispiel Projekte im Bahnhofsviertel, um den Wohnstandort zu stärken. Im K48 in der Kaiserstraße entstanden hochpreisige Eigentumswohnungen. Künftig fließt jedoch nur noch Geld in Mietwohnungen, betont das Planungsdezernat. Ein weiterer Schwerpunkt städtischen Engagements ist die Bürostadt Niederrad, deren Niedergang es zu bremsen gilt. Die Lyoner Straße 19 steht am Anfang des Prozesses. An dessen Ende soll in einem Teil der stellenweise verödeten Bürostadt unter dem Namen „Lyoner Viertel“ modernes urbanes Leben pulsieren.
Stadt der kurzen Wege
Das Planungsamt sieht ein Potenzial von rund 1200 Wohnungen, von denen ein Großteil aus Umwandlung entstehen könnte. Eine Kindertagesstätte ist vorgesehen, dazu Läden. Während der Übergangszeit sollen Kulturangebote und Urban Gardening Menschen auch abends und an Wochenenden anlocken. Mit den Plänen löst die Mainmetropole auch die aus den 1970er stammende städtebauliche Idee der strikten Trennung von Wohnen und Arbeiten auf: Wohnen in der Nordweststadt, arbeiten in Niederrad ist Vergangenheit. Stattdessen kennzeichnet die räumliche Nähe von Arbeit, Wohnen, Leben eine zukunftsfähige Stadt und den Willen Frankfurts, das planerische Ideal einer Stadt der kurzen Wege zu realisieren. „In der digitalen Arbeitswelt ist völlig egal, wo man sitzt“, sagt Detlef Hans Franke, einer der Initiatoren der Standortinitiative Niederrad. Sie will den Wandel mit voranbringen und in dieser Woche auf der Immobilienmesse Expo Real dafür werben.
Bedenken, dass es an Interessenten für Wohnen in ehemaligen Büro-Hochhäusern mangeln könnte, haben die Marktakteure nicht. „Wohnhochhäuser sind in bestimmten Kreisen wieder in“, heißt es. Anders als in Deutschland ist das Leben in Hochhäusern in Singapur, Hongkong oder Schanghai Alltag – Markt und Publikum in Frankfurt sind international.
Autorin: Margarete Lausberg / Foto: © Lisa Farkas
