Chaostage in Essen, Kommentar zu RWE von Andreas Heitker

Der Energieversorger RWE streicht den Stammaktionären die Dividende. Dies kommt überraschend, ist aber verständlich und absolut vernünftig. Sollte im Zuge der weiteren Abwicklung der Atomkraft tatsächlich die Gründung eines öffentlich-rechtlichen Fonds beschlossen werden, müsste RWE Milliarden an Barmitteln freisetzen können. Und die Strombörsenpreise testen zudem Monat für Monat neue Tiefstände. Geht es so weiter, wird das Kraftwerksgeschäft, die einst mit Abstand wichtigste Ergebnisstütze des Konzerns, schneller in die Verlustzone rutschen als selbst von Pessimisten erwartet.

In der jetzigen Situation gilt es, das Geld zusammenzuhalten und die Bilanz zu stärken. Dazu wäre ein Dividendenausfall ein wichtiger Schritt. Schon im vergangenen Jahr war er vereinzelt von Investoren gefordert worden. Die Rahmenbedingungen für RWE haben sich seither beileibe nicht verbessert.

Trotzdem enthält die Dividendenentscheidung, die jetzt öffentlich gemacht wurde, einiges an Sprengkraft. Es gibt ja bislang lediglich einen Vorstandsbeschluss. Der Aufsichtsrat wurde noch nicht mit einbezogen. Ob die Veröffentlichung aktienrechtlich der sauberste Weg war, wie es das Unternehmen darstellt, sei einmal dahingestellt. Es hätte sicherlich auch noch andere Wege gegeben, die zuvor auch eine Abstimmung mit dem Kontrollgremium möglich gemacht hätten – selbst wenn ein Dividendenausfall für die kommunalen Aktionäre eine Katastrophe ist.

Es verfestigt sich wieder einmal der Eindruck, den man zuletzt häufiger gewinnen konnte, dass es bei RWE aktuell an klaren Strukturen fehlt sowie an einer abgestimmten Zusammenarbeit der Gremien. Das mag an der Krise insgesamt liegen, an dem tiefgreifenden Umbau, in dem der Konzern steckt oder aber an dem in Auflösung begriffenen Aufsichtsrat, dessen künftige Zusammensetzung noch niemand so recht kennt. Allein auf Anteilseignerseite müssen im April ja bis zu fünf neue Mitglieder gewählt werden.

Und so kam es, dass im letzten halben Jahr gleich mehrfach nicht abgestimmte oder inhaltlich noch gar nicht ausgereifte strategische Weichenstellungen verkündet wurden. Die Gründung der neuen Wachstumstochter, die RWE abspalten und an die Börse bringen will, und die Besetzung ihres Führungsteams sind hierfür ein gutes Beispiel. Immer wieder dringen auch hier Interna nach außen. Es herrscht Misstrauen zwischen Gremien. Für die Bewältigung einer existenziellen Krise sind dies alles andere als gute Voraussetzungen.

Quelle: Börsen-Zeitung

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