Das dritte Kreditprogramm des Euro-Rettungsschirms ESM für Griechenland läuft am 20. August 2018 aus. Acht Jahre erhielt das mediterrane Land Finanzhilfen von der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank sowie vom Internationalen Währungsfonds. Nun muss es sich auf den internationalen Kapitalmärkten selbst finanzieren. Eine verstärkte Beobachtung durch die bisherigen Kreditgeber soll das Land von neuen Exzessen abhalten.
Auch nach dem Ende der internationalen Hilfeprogramme gibt es in Griechenland nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) noch viel zu tun. „Die größte Schwäche Griechenlands sind die schlechten Institutionen. Diese Reformen werden noch viele Jahre andauern und wir dürfen nicht erwarten, dass Griechenland bald zum Musterschüler Europas wird“, sagte DIW-Chef Marcel Fratzscher der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Montagsausgabe).
Fratzscher sagte voraus, Griechenland werde auch in Zukunft Unterstützung von seinen europäischen Partnern benötigen. „Ich erwarte jedoch, dass durch die großzügige Schuldenumstrukturierung Griechenland in den kommenden Jahren keine weiteren Gelder von Europa benötigen wird.“ Erfolgreiche Reformen erfordern nach den Worten des DIW-Chefs, dass die griechische Regierung endlich wieder mehr Eigenverantwortung übernimmt. „Daher ist das Ende der Hilfsprogramme gut und richtig.“ Am heutigen Montag endet das dritte Kreditprogramm des Euro-Rettungsschirms ESM für Athen. Angesichts eines drohenden Staatsbankrotts hatte das Land Hilfen von den Euro-Partnern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) erhalten. Insgesamt flossen dem ESM zufolge rund 289 Milliarden Euro nach Athen – im Gegenzug für Spar- und Reformmaßnahmen, darunter erhebliche Lohn- und Rentenkürzungen.
Meinungen gehen auseinander
Im Hinblick auf die Parlamentswahl im nächsten Jahr ist die Wirtschafts- und Finanzkrise vor allem aus Sicht der Regierung überwunden. Unter der Bevölkerung herrscht eine deutlich trübere Stimmung. „Schmerzhafte Gehalts- und Rentenkürzungen hinterließen tiefe Einschnitte im Lebensstandard der Hellenen. Jeder fünfte Grieche ist arbeitslos. Mehr als ein Drittel der Angestellten im privaten Sektor verdienen bis zu 700 Euro pro Monat netto. Fast eine halbe Million junger Arbeitnehmer sind ausgewandert, um eine Arbeitsstelle zu finden“, sagt Michaela Balis, Griechenland-Expertin bei Germany Trade & Invest (GTAI) in Athen. Auch die Unternehmen klagen über die Überbesteuerung. Die Belastung der Unternehmen ist inklusive der Sozialabgaben auf etwa 50,7 Prozent gestiegen.
Tourismus bleibt wichtigster Wachstumstreiber
Positiv entwickelten sich die Warenexporte unter dem Druck der nachlassenden Nachfrage im Inland: In den Krisenjahren zwischen 2010 und 2017 sind die griechischen Warenexporte laut dem europäischen Statistikamt Eurostat um mehr als ein Drittel gestiegen. Der Tourismus ist der wichtigste Wachstumstreiber im Land. „Trotz optimistischer Prognosen von rund 35 Millionen Touristen im Jahr, hängt die langfristige Entwicklung von der Lage in den Konkurrenzländern, von der Verbesserung der Infrastruktur und von der langfristigen Planung ab. Der Tourismus kurbelt zurzeit auch weitere Branchen an, zum Beispiel den Kfz-Markt und die Bauwirtschaft“, so Balis.
Auch die Privatisierungen haben für Investitionen gesorgt. Nicht nur die Übernahme der vierzehn regionalen Flughäfen durch das deutsch-griechische Konsortium Fraport-Slentel steigerte den Bedarf an Ausrüstungsinvestitionen. Auch die Privatisierungen der Betriebsgesellschaften der Häfen von Piräus und Thessaloniki und der Betriebsgesellschaft der griechischen Bahn gehen mit millionenschweren Investitionen einher.
Foto: Marcel Fratzscher, über dts Nachrichtenagentur