Studie: Deutsche Firmen könnten bald britische Lieferanten ersetzen

Höhere Preise, längere Wartezeiten: Britische Waren könnten nach dem Brexit deutliche Lieferanteile in den EU-Ländern verlieren. Dies ist eines der Ergebnisse einer Studie von Germany Trade & Invest (GTAI). Knapp die Hälfte der Warenexporte aus dem Vereinigten Königreich geht in die EU, bei einigen Warengruppen liegt der Anteil sogar noch höher. Insgesamt geht es um Warenlieferungen von jährlich rund 189 Milliarden Euro.

2017 waren vier der fünf größten britischen Exportziele EU-Länder. Hinter den USA und Deutschland rangieren Frankreich, die Niederlande und Irland. Ein harter Brexit würde deutschen Firmen in Frankreich beispielsweise Chancen in einer Reihe von Sektoren eröffnen, insbesondere in der Kfz-Industrie und im Chemiesektor. Auch in den Niederlanden könnten deutsche Hersteller als alternative Bezugsquellen profitieren, beispielsweise bei chemischen und pharmazeutische Produkten, aber auch bei Elektronik, Maschinen oder Kfz-Teilen.

Nach Auffassung der britischen Regierung soll die Abhängigkeit vom Absatzmarkt EU unter anderem durch alternative Absatzmärkte (USA oder Indien) gelindert werden. Britische Verbände sehen diesen Ansatz jedoch skeptisch. Über Jahrzehnte aufgebaute Handelsbeziehungen ließen sich nicht kurzfristig ersetzen. Und während auf politische Ebene weiter über die Modalitäten verhandelt wird, erwägen viele britische Unternehmen bereits, Betriebsteile auf das europäische Festland zu verlagern. Auch das schwächere Pfund Sterling hat den britischen Exporteuren bislang eher weniger geholfen. Im Gegenteil: Viele Hersteller müssen die Rohstoffe und Vorprodukte für ihre Exportgüter aufgrund der internationalen Lieferketten nun zunächst zu erhöhten Kosten importieren.

Doch es geht um mehr als nur den reinen Export von Waren, auch britische Dienstleistungen sind betroffen. Diese machen inzwischen rund 80 Prozent der britischen Bruttowertschöpfung aus, allen voran Finanzdienstleistungen. Mehr als ein Drittel der britischen Dienstleistungsexporte gingen laut jüngsten verfügbaren Angaben für 2016 in die EU. Äußerst fraglich ist, ob und wie Dienstleistungen in ein mögliches Freihandelsabkommen integriert werden können, da die bestehenden Abkommen der EU dieses Thema in der Regel ausklammern.

Nach einem harten Brexit dürfte der freie Warenverkehr zwischen den Ländern der EU und dem Vereinigten Königreich der Vergangenheit angehören. Zollkontrollen und Wartezeiten an den Grenzen werden unvermeidlich sein, selbst wenn sich die beiden Verhandlungsparteien auf ein Freihandelsabkommen einigen. Mit Freihandelsabkommen werden zwar Zölle im Handel verringert oder ganz abgeschafft. Dies gilt aber nur für Ursprungsware, also Waren, die ganz oder zumindest teilweise in einem der beiden Vertragsstaaten hergestellt wurden. Wie hoch der Anteil der Ursprungswaren am fertigen Produkt sein muss, um von der Zollfreiheit zu profitieren, wird in den sogenannten Ursprungsregeln eines jeden Freihandelsabkommens festgelegt.

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