Unternehmenskriminalität: Lambrecht will Vereine verfolgbar machen

Das Bundesjustizministerium möchte künftig im Rahmen der Bekämpfung von Unternehmenskriminalität sogar „nicht rechtsfähige“ Vereine strafrechtlich verfolgbar machen. Das geht aus einem Gesetzentwurf von Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hervor, über den der „Spiegel“ in seiner neuen Ausgabe berichtet. Die fast 70 Paragrafen des geplanten Gesetzes ermöglichten nun ausdrücklich die Verfolgung sogar von Gruppen, die nicht einmal im Vereinsregister stehen.

Bislang können nur Menschen strafrechtlich verfolgt werden, Unternehmen oder Vereine nicht. Für sie gilt das Ordnungswidrigkeitenrecht. Die Staatsanwaltschaft ist nur beteiligt, wenn die Ordnungswidrigkeit zugleich eine Straftat ist; als Beschuldigter muss stets eine natürliche Person gefunden werden. Die Einführung eines Unternehmensstrafrechts gilt der SPD als Herzensangelegenheit. Allerdings geht der Entwurf der Justizministerin über den Koalitionsvertrag hinaus, da er das neue Gesetz „aus Gründen der Gleichbehandlung“ ausweitet – sogar auf Gesellschaften des öffentlichen Rechts. Die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), äußerte sich höchst verärgert. Im Koalitionsvertrag habe man nur vereinbart, dass Unternehmen bei erheblichen Wirtschaftstraftaten belangt werden sollen: „Darauf sollte sich der Gesetzentwurf dann auch fokussieren, und nicht auch noch Kommunen oder Vereine einbeziehen“, sagte Winkelmeier-Becker dem „Spiegel“. Auch die Regelungen zu Auslandstaten gehen ihr zu weit. „Wenn etwa ein US-Konzern in Kanada eine Straftat begeht, muss das nicht die deutschen Ermittlungsbehörden auf den Plan rufen, nur weil es auch einen Sitz in Deutschland gibt“, so die CDU-Politikerin weiter. Da die Staatsanwaltschaften zudem stets verpflichtet wären, jedem Verdacht nachzugehen, fürchtet die Justiz Überlastung. „Die mit dem neuen Gesetz vorgesehene Ermittlungspflicht dürfte zu einem deutlichen Zuwachs an aufwendigen Verfahren bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten führen“, kritisierte Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds (DRB). Mit den aktuellen Ressourcen der Strafjustiz sei dies „nicht zu bewältigen“, so der DRB-Bundesgeschäftsführer weiter. Solle die geplante Neuregelung „in der Praxis greifen“, brauche es „zusätzliches Personal und eine weitergehende Spezialisierung im Bereich der Wirtschaftskriminalität“, sagte Rebehn dem „Spiegel“.

Foto: Christine Lambrecht, über dts Nachrichtenagentur

 

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