Diabetes ist in Deutschland auf dem Vormarsch. Die Zahl der Neuerkrankungen steigt kontinuierlich an, wobei der Anstieg bei Kindern und Jugendlichen besonders alarmierend ist. Experten schlagen angesichts dieser Entwicklung Alarm, denn Diabetes kann, wenn er nicht rechtzeitig erkannt und adäquat behandelt wird, schwerwiegende Folgeerkrankungen nach sich ziehen.
Der Typ-1-Diabetes – oft schon in jungen Jahren
Beim Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse angreift und zerstört. Ohne Insulin kann der Körper den Blutzuckerspiegel nicht mehr regulieren, was lebensbedrohliche Folgen haben kann. Typ-1-Diabetes tritt meist bereits im Kindes- oder Jugendalter auf und erfordert lebenslange Insulinersatztherapie.
In den letzten Jahrzehnten hat die Zahl der Neuerkrankungen an Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland deutlich zugenommen. Laut Angaben des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) erkranken jährlich rund 3.000 Kinder und Jugendliche neu an Typ-1-Diabetes. Insgesamt leben in Deutschland etwa 30.000 Kinder und Jugendliche mit dieser Form von Diabetes.
Die Gründe für den Anstieg sind noch nicht abschließend geklärt. Neben genetischen Faktoren spielen vermutlich auch Umwelteinflüsse eine Rolle. Vermutet werden etwa Veränderungen in der Darmflora oder eine erhöhte Belastung durch Schadstoffe. Zudem könnten der veränderte Lebensstil mit weniger Bewegung und unausgewogener Ernährung den Trend begünstigen.
Der Typ-2-Diabetes – eine Folge von Übergewicht und Bewegungsmangel
Noch alarmierender ist der Anstieg des Typ-2-Diabetes, der früher als „Altersdiabetes“ galt, nun aber zunehmend auch Kinder und Jugendliche betrifft. Beim Typ-2-Diabetes kann der Körper das produzierte Insulin nicht mehr richtig nutzen (Insulinresistenz). Hinzu kommt, dass die Bauchspeicheldrüse mit der Zeit nicht mehr genügend Insulin herstellt.
Entscheidende Risikofaktoren für Typ-2-Diabetes sind Übergewicht und Bewegungsmangel – Lebensstilfaktoren, die gerade bei Kindern und Jugendlichen zunehmend eine Rolle spielen. Laut Studien des Robert Koch-Instituts sind in Deutschland rund 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen von Adipositas, also extremem Übergewicht, betroffen. Weitere 15 Prozent sind übergewichtig.
„Der massive Anstieg an Übergewicht und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen ist ein zentraler Treiber für den Typ-2-Diabetes in dieser Altersgruppe“, warnt Prof. Dr. Matthias Blüher, Diabetologe an der Universität Leipzig. „Viele Betroffene entwickeln bereits im Kindes- oder Jugendalter Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen.“
Herausforderungen für das Gesundheitssystem
Die wachsende Zahl an Diabetes-Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen stellt das deutsche Gesundheitssystem vor große Herausforderungen. Die Behandlung und lebenslange Versorgung der Betroffenen verursacht immense Kosten. Laut Schätzungen belaufen sich die direkten Kosten für die Diabetesversorgung in Deutschland auf rund 12 Milliarden Euro pro Jahr.
Hinzu kommen indirekte Kosten durch Arbeitsausfälle, Frühverrentung und Folgeerkrankungen. Experten warnen, dass sich diese Kosten in den kommenden Jahren weiter deutlich erhöhen könnten, wenn es nicht gelingt, den Trend zu stoppen.
Prävention als zentraler Ansatz
Um die besorgniserregende Entwicklung in den Griff zu bekommen, ist Prävention der Schlüssel. Hier sind vor allem Eltern, Schulen und das gesamte Umfeld der Kinder und Jugendlichen gefordert. „Wir müssen frühzeitig an den Ursachen ansetzen und Lebensstilfaktoren wie Ernährung und Bewegung positiv beeinflussen“, betont Prof. Blüher.
Dazu gehört eine Stärkung der Gesundheitskompetenz schon bei Kindern – vom richtigen Umgang mit Lebensmitteln bis hin zu mehr Bewegung im Alltag. Auch die Förderung von Gemeinschaft und sozialen Kontakten kann sich positiv auswirken und das Risiko für Übergewicht und Diabetes senken.
Darüber hinaus fordern Experten eine stärkere Unterstützung von Familien mit Diabetes-Erkrankungen. „Betroffene Kinder und Jugendliche brauchen ein Umfeld, das sie bei der Krankheitsbewältigung unterstützt“, sagt Prof. Dr. Antje Körner, Leiterin des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Leipzig.
Gezielte Forschung und innovative Behandlungskonzepte
Um die Versorgung der wachsenden Zahl an Diabetes-Patienten zu verbessern, ist auch die Forschung gefordert. Experten sehen großen Bedarf bei der Entwicklung neuer Therapien und Technologien, die das Leben der Betroffenen erleichtern.
„Wir brauchen dringend Fortschritte bei der Insulinapplikation, der Glukosemessung und der Therapiesteuerung, um den Alltag mit Diabetes zu erleichtern“, betont Prof. Körner. Innovative Behandlungskonzepte wie das „künstliche Pankreas“ – eine computergesteuerte Kombination aus Sensor und Insulinpumpe – könnten die Lebensqualität der Patienten deutlich verbessern.
Darüber hinaus ist mehr Grundlagenforschung notwendig, um die genauen Ursachen für den Anstieg von Diabetes, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, besser zu verstehen. Nur so lassen sich gezielte Präventionsstrategien entwickeln.
Weltdiabetestag – Aufklärung und Sensibilisierung
Der Weltdiabetestag am 14. November bietet jedes Jahr die Gelegenheit, das Thema Diabetes stärker in den öffentlichen Fokus zu rücken. Neben Informations- und Aufklärungskampagnen geht es darum, das Verständnis für die Erkrankung zu fördern und Betroffene zu unterstützen.
„Wir müssen das Thema Diabetes aus der Tabuzone holen und offen darüber sprechen“, betont Prof. Körner. „Nur so können wir Ängste abbauen und ein Umfeld schaffen, das Betroffene in ihrer Krankheitsbewältigung bestmöglich unterstützt.“
Letztlich kann nur ein ganzheitlicher Ansatz, der Prävention, Forschung und Versorgung gleichermaßen in den Blick nimmt, dazu beitragen, den besorgniserregenden Trend bei Diabetes-Neuerkrankungen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, zu stoppen. Dafür braucht es das Engagement der gesamten Gesellschaft.