Im Jahr 2024 rutschte Deutschlands Wirtschaft erneut in die Rezession. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,2 Prozent. Bereits im Vorjahr 2023 hatte es einen Rückgang von 0,3 Prozent gegeben. Damit befand sich die deutsche Wirtschaft zum zweiten Mal in Folge in einer Rezession – ein Zustand, den es zuletzt 2002/03 in Deutschland gab.
Behördenchefin Ruth Brand erklärte, dass „konjunkturelle und strukturelle Belastungen im Jahr 2024 einer besseren wirtschaftlichen Entwicklung im Wege standen“. Dazu zählten die zunehmende Konkurrenz für die deutsche Exportwirtschaft auf wichtigen Absatzmärkten, die hohen Energiekosten, das nach wie vor erhöhte Zinsniveau sowie die unsicheren wirtschaftlichen Aussichten.
Der ungewisse Ausgang der bevorstehenden Bundestagswahl im Februar verunsicherte viele Unternehmen zusätzlich. Viele Firmen zögerten mit Investitionen, da die künftigen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen unklar waren. Laut einer Umfrage des Münchner ifo-Instituts unter rund 9.000 Führungskräften fiel die Stimmung in der deutschen Wirtschaft zum Jahreswechsel so schlecht aus wie seit der Coronakrise nicht mehr.
Strukturelle Probleme der deutschen Wirtschaft
Die Schwäche der deutschen Wirtschaft ist nicht nur ein vorübergehendes Phänomen, sondern hat tiefere strukturelle Ursachen. Schon seit einigen Jahren kämpft Deutschland mit verschiedenen Herausforderungen, die das Wirtschaftswachstum belasten.
Einer der Hauptfaktoren ist die sinkende Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft. Aufstrebende Schwellenländer wie China oder Indien haben in vielen Branchen aufgeholt und bieten ihre Produkte zu günstigeren Preisen an. Hinzu kommen protektionistische Tendenzen in wichtigen Absatzmärkten, die den deutschen Export erschweren.
Auch der demografische Wandel stellt die deutsche Wirtschaft vor Probleme. Der zunehmende Fachkräftemangel in vielen Sektoren bremst das Produktionspotenzial. Gleichzeitig steigen die Sozialausgaben, was den Staatshaushalt belastet und Spielraum für Investitionen in die Infrastruktur oder Forschung und Entwicklung nimmt.
Zudem leidet die Industrie unter der Energiewende und den damit verbundenen hohen Kosten. Der beschleunigte Ausstieg aus der Kernenergie sowie die Umstellung auf erneuerbare Energien haben die Strompreise in den letzten Jahren deutlich erhöht. Viele energieintensive Unternehmen sehen sich dadurch im internationalen Wettbewerb benachteiligt.
Aufstrebende Konkurrenz und mangelnde Innovationskraft
Ein weiteres Problem ist der Verlust an Innovationskraft. Lange Zeit galt Deutschland als Technologieführer, doch in wichtigen Zukunftstechnologien wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder Biotechnologie hinken deutsche Unternehmen häufig hinterher. Aufstrebende Konkurrenz aus Ländern wie den USA oder China setzt die deutsche Wirtschaft unter Druck.
„Wir müssen unsere Stärken stärken und unsere Schwächen angehen“, fordert ifo-Präsident Clemens Fuest. Dazu gehöre eine Modernisierung der Infrastruktur, Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie eine Stärkung der Fachkräftebasis. Gleichzeitig müsse die Politik die richtigen Weichen stellen, um die deutsche Industrie im globalen Wettbewerb zu unterstützen.
Appell an die Politik: Strukturreformen sind dringend nötig
Experten sind sich einig, dass tiefgreifende Reformen nötig sind, um die strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft anzugehen. Dabei müssen die künftigen Regierungsparteien über Parteigrenzen hinweg an einem Strang ziehen.
„Wir brauchen eine Reformagenda, die weit über das hinausgeht, was bisher diskutiert wurde“, fordert der Ökonom Gustav Greiner. „Nur so können wir die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft langfristig sichern.“
Zu den zentralen Aufgaben gehören laut Greiner eine Modernisierung des Steuersystems, eine Deregulierung des Arbeitsmarktes, Investitionen in die digitale Infrastruktur sowie eine Beschleunigung der Energiewende. Auch eine Reform der Sozialsysteme sei unumgänglich, um den demografischen Herausforderungen zu begegnen.
„Wir müssen raus aus der Komfortzone und mutige Schritte wagen“, mahnt Greiner. „Nur dann können wir die Weichen für eine prosperierende Zukunft der deutschen Wirtschaft stellen.“
Auch Unternehmensverbände und Gewerkschaften fordern ein entschlossenes Handeln der Politik. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um die dringend notwendigen Reformen anzugehen“, betont der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Eric Schweitzer. „Zögern wir weiter, riskieren wir den Anschluss an die internationale Konkurrenz.“
Verbraucher spüren die Auswirkungen
Die schwache Wirtschaftsentwicklung hat auch deutliche Auswirkungen auf die Verbraucher in Deutschland. Die Inflation bleibt weiterhin hoch, was die Kaufkraft der Bürger belastet. Hinzu kommen Sorgen um die Sicherheit der Arbeitsplätze, da viele Unternehmen angesichts der Rezession gezwungen sind, Stellen abzubauen.
Entsprechend trübe ist die Stimmung in der Bevölkerung. Die Konsumlaune ist angesichts der unsicheren Zukunftsaussichten gedämpft, was wiederum die Konjunktur zusätzlich belastet. Ein Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen ist.
Regierung unter Druck
Die anhaltende Wirtschaftsschwäche stellt auch die Bundesregierung vor große Herausforderungen. Sie steht unter Druck, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Konjunktur wieder anzukurbeln und die Folgen für die Bürger abzufedern.
Bislang hat die Regierung vor allem auf Entlastungen wie die Senkung der Energiepreise und Steuervergünstigungen gesetzt. Auch Investitionen in Zukunftstechnologien und den Ausbau der Infrastruktur sind geplant. Ob diese Maßnahmen jedoch ausreichen, um die Rezession zu überwinden, wird sich erst in den kommenden Monaten zeigen.
Hoffnungsschimmer am Horizont?
Trotz der düsteren Prognosen gibt es auch Anzeichen dafür, dass die Lage nicht aussichtslos ist. So deuten einige Frühindikatoren darauf hin, dass der Abschwung möglicherweise seinen Tiefpunkt erreicht haben könnte. Die Stimmung in der Industrie hat sich zuletzt etwas aufgehellt, und auch am Arbeitsmarkt gibt es erste positive Signale.
Sollte es gelingen, die Inflation in den Griff zu bekommen und die Lieferkettenprobleme weiter abzubauen, könnten die Voraussetzungen für eine Erholung der Wirtschaft im Laufe des Jahres 2025 geschaffen werden. Allerdings hängt dies auch von der weiteren Entwicklung geopolitischer Konflikte und möglichen Überraschungen in der Pandemie-Entwicklung ab.
Herausforderungen bleiben groß
Die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland bleibt auch im Jahr 2024 eine große Herausforderung. Der erneute Rückgang des Bruttoinlandsprodukts zeigt, dass die Rezession das Land weiterhin fest im Griff hat. Ob und wann ein Aufschwung gelingen kann, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die derzeit nur schwer vorherzusagen sind.
Klar ist, dass die Bundesregierung gefordert ist, entschlossen zu handeln und die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen. Nur so kann es gelingen, das Vertrauen der Verbraucher und Unternehmen zurückzugewinnen und die Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen. Die Zeichen stehen derzeit nicht rosig, aber mit der richtigen Strategie könnte sich die Lage noch zum Positiven wenden.