Linz – 2004 beschloss der Linzer Gemeinderat, dass die Finanz- und Vermögensverwaltung der Stadt auch Finanzterminkontrakte abschließen dürfe. Bereits 2006 folgte der erste Swap, 2007 der nächste. Die Verträge wurden zwischen der Stadt Linz und der BAWAG abgeschlossen. Das erste Geschäft zeigte sich erfolgreich, doch der zweite Swap endete in einem Fiasko, bedingt durch die Wirtschaftskrise und den steigenden Kurs des Schweizer Franken. Die oberösterreichische SPÖ warf nun der BAWAG vor, die Stadt Linz, absichtlich in riskante Geschäfte hingezogen zu haben, um selbst Gewinne zu erzielen.
Am kommenden Montag zweite Runde
Der Chef der oberösterreichischen SPÖ, Josef Ackerl, legte dem Gericht ein Bankprotokoll aus dem Jahre 2007 vor. Der Inhalt sollte beweisen, dass bereits damals Zweifel bestanden, ob Derivat-Geschäfte rechtsmäßig seien. Seiner Meinung nach hätte die BAWAG sie nicht abschließen dürfen: „Das Protokoll zeigt, dass sich die Bank damals sehr wohl bewusst war, dass sich durch das meist inhomogene Know-how der Kommunen sowie der nicht eindeutigen Rechtssituation Probleme ergeben könnten.“ Aus dem gleichen Protokoll wird von der BAWAG jedoch eine andere Situation herausgelesen: „Das Protokoll besagt, dass Derivat-Geschäfte mit Kommunen zulässig sind, aber die Voraussetzungen zum Abschluss genau einzuhalten sind.“ Ein Protokoll, zwei Interpretationen, ein hochriskantes, spekulatives Zins- und Währungsgeschäft auf Kosten der Steuerzahler.
Streitwert 500 Millionen Euro
Der Originaltext im Protokoll lautet: „Die Aufsichtsbehörden haben verschiedene – meistens inoffizielle – Meinungen zu Derivaten. Ein Restrisiko aus der Rechtssituation ist aufgrund des Fehlens von Judikatur und spezifischer rechtlicher Bestimmungen für Derivate nicht vollständig auszuschließen und wird auch von unseren Mitbewerbern nicht zuletzt im Hinblick auf die Ertragschancen akzeptiert“. In einer ersten Reaktion nach der Verhandlungsrunde hieß es seitens der BAWAG: „Die Formulierung besagt, dass mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit, sollte es dazu jemals eine Judikatur geben, die künftige Rechtssprechung die Rechtsansicht der Bank decken wird.“
Mit Spannung kann die nächste Verhandlungsrunde erwartet werden, denn nach erster Einschätzung habe der Richter die BAWAG in der Auslegung des Protokolls bestärkt. Der Streitwert beläuft sich inzwischen auf immerhin 500 Millionen Euro. Der Staatsanwalt hat bereits im Juli 2013 gegen Finanzstadtrat Johann Mayr von der SPÖ und Finanzdirektor Werner Penn Anklage wegen des Verdachts der Untreue erhoben, für beide gilt die Unschuldsvermutung. Der Angriff des oberösterreichischen SPÖ-Chefs Ackerl gegen die BAWAG scheint die juristische Antwort auf die Anklage zu sein. Swap-Geschäfte wurden jedoch nicht nur von der Stadt Linz, sondern auch von vielen anderen Kommunen abgewickelt, ebenfalls mit Verlust. Die Budgetaufbesserung durch Spekulation ging wohl nicht auf. Aber wo kein Kläger ist, wird in anderen Kommunen auch niemand zur Verantwortung gezogen.
Foto: © michaelaw